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Der Traum vom eigenen Hengst

Wer dominiert wen?Wer dominiert wen? - Foto © M.Groger

Gerade den arabischen Hengst umgibt ein ganz besonders faszinierender Mythos: geheimnisvoll, majestätisch, kraftvoll mit Stolz und atemberaubender Schönheit.

„Blitz, der schwarze Hengst“ - wer hat diesen Film mit seinen einzigartigen Aufnahmen nicht gesehen! Ein kleiner Junge ruft den Hengst, welcher sogleich in seiner ursprünglichen Wildheit heranstürmt, schnaubend vor dem Jungen stehen bleibt und ihn dann sanft ermutigt, auf seinen Rücken zu steigen ... Na ja, die Wirklichkeit sieht da leider etwas anders aus!

 

Während Warmbluthengste nach wie vor häufig in staatlichen Deckstationen zum Einsatz kommen, hat die Zahl der Araberhengste, die sich im Besitz von Privatgestüten befinden, stark zugenommen. Neben der Faszination einen eigenen Hengst zu halten und zu reiten, greift hier auch oft die wirtschaftliche Argumentation: "Ich habe zwei Stuten, jetzt kauf´ ich mir noch einen Hengst und schon kosten die Fohlen nichts mehr!" Fohlen, die aufgrund durchschnittlicher Qualität schlecht abzusetzen sind, sowie der nicht zu unterschätzende Mehraufwand der Hengsthaltung, können leicht zum "Albtraum" werden.

Spätestens, wenn der zukünftige "Deckhengst" ins geschlechtsreife Alter kommt, stellt man fest, dass zwischen Wunschtraum und Realität meist Welten liegen. Frei nach dem Motto "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" sollte man sich unbedingt darüber im Klaren sein, dass die Rangordnung in frühester Kindheit bereits geregelt sein sollte. Sicherlich wird ein Hengst zu gegebener Zeit immer wieder seine Position versuchen zu erhöhen, aber wenn die Basis der Rangordnung schon mal gelegt ist, bedarf es meist nur einer kurzen Ermahnung und der Kerl erinnert sich wieder! Sich mit den Urgewalten eines erwachsenen, unerzogenen Hengstes anzulegen, endet nicht selten im Krankenhaus. Auch sehr zum Leidwesen des Tieres, denn in den meisten Fällen führen falsche Haltung, Unwissenheit des Menschen und eben fehlende Dominanz zu solchen Unfällen.

Seltenheitswert: Ein Hengst und seine HerdeSeltenheitswert: Ein Hengst und seine Herde
Foto © M.Groger

Hengste artgerecht zu halten, ist in der heutigen, privaten Pferdezucht sehr schwierig geworden. Isoliert von Artgenossen, fristen sehr viele Hengste ihr Dasein 24 Stunden am Tag in vergitterten Boxen - nur der Deckakt bietet ein wenig Abwechslung, allerdings dann meistens recht bedrohlich für alle Beteiligten inklusive der Stute!

Selbst nach der Domestizierung des Menschen, bleiben dem Hengst ganz bestimmte Verhaltensweisen erhalten, welche in seinen Genen verankert sind, um ihm das Beschützen und Leiten seiner Herde zu ermöglichen. Genau diese Eigenschaften machen es für uns so schwierig, dem Hengst und uns ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.

Aufgrund seiner ganz speziellen Körpersprache und seinem Imponiergehabe erfordert es vom Besitzer sehr viel Fingerspitzengefühl, hier eine Partnerschaft aufzubauen, ohne den Hengst dabei zu unterdrücken. Dominanz ist nicht gleich Gewalt!

Ein Hengst hat dieselben Grundbedürfnisse wie Stuten und Wallache, bereitet seinem Besitzer aber in vielen Fällen große Anstrengungen und höhere finanzielle Aufwendungen, um diesen fundamentalen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Sonne, frische Luft und Bewegung sind elementare Voraussetzungen für das Wohlbefinden eines Hengstes. Täglicher Auslauf (auch bei schlechtem Wetter), Blickkontakt zu seinen Stuten und eine große, helle Box im gemeinsamen Stall, steigern seine Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft. Optimal ist natürlich die Haltung zusammen mit einer oder mehreren Stuten.

Entspanntes GeländereitenEntspanntes Geländereiten ist
auch mit Hengsten möglich!

Ein Hengst will gefordert werden, wenn dies nicht der Fall ist, verkümmern Körper, Geist und Seele!

Natürlich ist es in der heutigen Zeit des "Pferdezüchtens" nur noch sehr wenigen Exemplaren vergönnt, die eigene Herde zu führen, und die Stuten auf der Weide zu decken. Hengste, denen diese Haltung nicht ermöglicht werden kann, brauchen eine sinnvolle, kontinuierliche Beschäftigung und Aufgabe, sonst verkümmern sie. Wir haben ihnen ihre natürlichen Aufgaben genommen, also sind wir jetzt gefordert den Ausgleich dafür zu schaffen. Koppel alleine genügt nicht - der Hengst hat keine Herde zu beschützen. Er legt keine kilometerlangen Strecken zurück und muss sich auch nicht um aufbäumende Konkurrenz kümmern. Langeweile bestimmt den Tag und somit ist hier nun der Besitzer an der Reihe, seinem Tier mit physischer und psychischer Beschäftigung seiner Veranlagung als Arbeitstier gerecht zu werden.

Ein regelmäßig gerittener Hengst ist entspannt, denn es wird ihm eine Aufgabe gestellt, welche er versucht gut auszuführen, und dies beschäftigt ihn auch noch lange nach dem Absatteln. Ausgedehnte Ausritte sind natürlich ein absolutes „Highlight“ für jeden Hengst: Sehen und gesehen werden, das ist hier die Devise!

Neben dem Geruchsinn ist die visuelle Wahrnehmung beim Hengst besonders ausgeprägt. In freier Wildbahn mussten die Leithengste ständig ihr Revier im Auge behalten, um Stuten, die sich zu weit entfernten, wieder zurückzuholen, oder sich nähernde Rivalen zu vertreiben. Bei einem Ausritt werden all diese Sinne wieder geschärft. Dem Hengst entgeht auch nicht die kleinste Bewegung in der Ferne und die Luft enthält tausend verschiedene Gerüche. Solche Ausritte setzen natürlich eine dementsprechende Ausbildung des Hengstes voraus, da ein unkontrollierter Hengst im freien Gelände zur Gefahr für alle werden kann. Aber bei einer soliden Grundausbildung des Pferdes, sollte solch schönen Erlebnissen für Hengst und Reiter eigentlich nichts im Wege stehen.

Stille MomenteStille Momente - Nicole Bäter & VA-Hengst Azeem

Häufig beobachtet man bei privater Hengsthaltung starke Personenbezogenheit der Pferde. Dies resultiert aus dem fehlenden Sozialkontakt zu seinen Artgenossen und einer geklärten Rangordnung zu seinem "Leitmenschen". Ein Hengst wird seinen "Herrn" niemals lieben, wie ein Hund (viele Hengstbesitzer glauben allerdings daran), sondern geht mit seinem Besitzer bestenfalls eine "Koalition" ein, welche sich darin äußert, dass dieser Mensch mehr Handlungsfreiheit gegenüber dem Hengst besitzt, als ein Fremder. Aber auch diese Akzeptanz seitens des Hengstes hat seinem Herrn gegenüber Grenzen: „Ich gebe dir den kleinen Finger, aber Du wirst nie meine ganze Hand bekommen!“ Mit diesem Kompromiss sollten wir uns unbedingt zufrieden geben, denn ein Hengst ist kein Schmusetier, kann aber bei guter Haltung und gutem Horsemanship ein echter Partner auf Lebenszeit werden.

Vielleicht sollte auch so mancher Stutenbesitzer bzw. Deckinteressent in Zukunft sein Augenmerk auf die Haltung und den korrekten Umgang mit dem zukünftigen Vater seines Fohlens richten, denn nur, wenn eine möglichst artgerechte Haltung des Hengstes gewährleistet ist, kann sich der Stutenbesitzer auch ein unverfälschtes Bild des Charakters machen.

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