Absolute Grazie
Bezaubernd, anmutig, graziös, fein, fast zart - unterschiedliche Adjektive waren bei der Gestütspräsentation des Katharinenhofs zu hören. Sie alle sollten eines beschreiben: Die Pferde des Katharinenhofs. Ergebnis von 40 Jahren züchterischer Arbeit.
Eine Gestütspräsentation im Laufe des Jahres mehr? Dieser „Tag der offenen Tür“ war weit mehr. Auf dem Katharinenhof in Großenkneten, Niedersachsen, präsentierte WAHO Präsident Dr. Hans-Joachim Nagel mit seinen ägyptisch gezogenen Vollblutarabern nicht nur die Arbeit von 40 Jahren Pferdezucht. Das allein wäre schon in einer Zeit, wo Gestüte so schnell geschlossen werden wie sie entstehen, bemerkenswert. Ein weiterer Anlass für die Einladung auf das Gestüt war die Vorstellung des Buches „The Arabian Horse - Nature’s Creation and the Art of Breeding“. Ein über 500 Seiten starkes Werk, reichhaltig bebildert, zum Thema Araberzucht im Allgemeinen und im Speziellen über Dr. Nagels Zuchtkonzept.
Vier Stutenlinien
Die Ergebnisse seiner Gedanken, die er in dem Buch zu Papier brachte, waren bei der Gestütspräsentation zu sehen. Die letzte vergleichbare Veranstaltung auf dem Katharinenhof fand 2005 statt. Die Zucht war also acht Jahre vorangeschritten und das Konzept konzentrierte sich seitdem auf Pferde aus der eigenen Zucht. Alle Pferde gehen in der Mutterlinie auf eine von vier Familien zurück.
- Die Obeyan Linie wird über Ghazala (v. Ghazal) repräsentiert. In der weiblichen Linie ist sie die einzige Tochter der weltberühmten Hanan (Alaa El Din x Mona), deren Nachzucht noch auf dem Katharinenhof steht. Hanans züchterischer Einfluss ist weltweit in der Vollblutaraberzucht in bekannten Gestüten spürbar. Auf dem Katharinenhof wird die Familie ausschließlich über Amarilla (Jamil (Madkour I x Hanan) x Ghazala) fortgeführt. Präsentiert wurde die 2001 geborene NK Aziza (NK Hafid Jamil x NK Asila), die allein siebenmal auf Hanan und dreimal auf Ansata Halim Shah (A. Ibn Halima x A. Rosetta) zurückgeht, sowie deren Nachzucht.
- Neben der unvergesslichen Hanan ist die Fuchsstute Mahiba (Alaa El Din x Mouna v. Sid Abouhom x Moniet El Nefous) aus der Siklawi Gidran Ibn Sudan Linie untrennbar mit dem Katharinenhof verbunden. Aktuell wird die Familie einerseits durch NK Lubna (Jamal El Dine x NK Layla v. Salaa El Dine x Sanaa v. Kais I) präsentiert. Sie geht über Malaka (v. Ansata Halim Shah) auf Kis Mahiba (Ibn Galal x Mahiba) zurück. NK Lubna führt siebenmal das Blut von Hanan und erinnert ihm Typ wenig an ihre Mutterlinie. Die andere Säule dieser Familie ist NK Moneera Al Ariba (KEN Asam x KEN Mufaji). Über ihren Vater, den Körungssieger KEN Asam (v. El Thay Masoud), führt sie einmal das Blut von Hanan und zwar über Amal (Mohafez x Hanan). Der aus Babson-Linien stammende Mohafez findet sich insgesamt dreimal in Moneera Al Aribas Abstammung, ebenso wie Mahiba, die den Typ der Stute prägt.
- Die dritte Familie, die Dahman Shahwan, geht zurück über Ansata Rosetta (v. Ansata Shah Zaman) auf Ansata Bint Bukra, Gründerstute des Ansata Gestüts, USA. Ansata Rosetta ist über ihren Sohn Ansata Halim Shah ohnehin in allen Katharinenhof Pferden zu finden. Über Ansata Ken Ranya (x Ansata Prima Rose v. Jamil x A. Rosetta) und Helala (x A. Gloriana v. Jamil x A. Ghazia) ist sie außerdem in weiblicher Linie repräsentiert. Beide Stuten stammen von Salaa El Dine (A. Halim Shah x Hanan).
- Die zahlenmäßig größte Gruppe geht über die Stute Nashua (v. Salaa El Dine) auf eine weitere Alaa El Din Tochter zurück: Lotfeia (x Bint Kamla v. El Sareei x Kamla), Hadban Enzahi Linie. Die beiden Vollschwestern NK Nasrin und NK Nadirah (Adnan x Nashua) führen diese Familie weiter.
Die Hengste der Schöpfung
Gezeigt wurden die Stuten nicht nur in ihren Familien, sondern auch mit ihren Vätern, um deren Vererbung zu dokumentieren. Einen Hanan-Sohn steht nicht mehr auf dem Katharinenhof. Mit Salaa El Dine starb 21-jährig 2006 der letzte männliche Vertreter dieser Linie.
Aktuell stehen vier Deckhengste auf dem Katharinenhof. Mit 17 Jahren ist NK Hafid Jamil (Ibn Nejdy x Helala) der Senior. Den Hengststall teilen seine drei Söhne mit ihm. Da sind die Vollbrüder Jamal El Dine (2001) und NK Kamar El Dine (2005). Beide stammen aus der Ansata Ken Ranya und gehen daher väter- und mütterlicherseits auf Ansata Rosetta zurück. Sie führen dreimal Ansata Halim Shah und sechsmal Hanan in der Abstammung.
Der dritte im Bunde ist der achtjährige NK Nadeer, der über seine Mutter NK Nadirah noch einmal das Blut von Lotfeia einbringt, außerdem ist Ansata Halim Shah viermal, Hanan siebenmal zu finden.
Wie es weitergehen wird mit dem Katharinenhof-Konzept bewiesen die vorgestellten Fohlenjahrgänge aus 2012 und 2013. Darunter NK Abed (2012), der neben viermal Lotfeia und zehnmal Ansata Halim Shah auch 20-mal auf Hanan zurückgeht. Diese Konzentration weiter zu betreiben ist das erklärte Ziel von Dr. Nagel, der sich jahrzehntelang den unterschiedlichen Modetrends der Araberszene verschlossen hat und seinen eigenen Weg ging - und geht. Vollblutaraber des Katharinenhofs bestechen durch trockenen, edlen Typ und höchste Grazie, was möglicherweise nicht mehr zu steigern ist. Sie sind insgesamt hochelegant, von rassetypischem Stockmaß, in der Regel sehr gut pigmentiert und mit feinen Fundamenten und teils steilen Fesseln ausgestattet. „Wie weit kann das züchterisch noch gehen?“, fragten sich schon 2005 die Besucher der Gestütspräsentation. Acht Jahre später stellt sich die Frage weiterhin. Präsentiert wurde in züchterisches Experiment eigener Art, vielleicht vergleichbar mit der Zucht des US-Amerikaners Henry B. Babson (1875 - 1970).
„Ein historisches Ereignis“
Abgesehen von über 40 Jahren züchterischer Arbeit und einer Buchveröffentlichung war dieser Nachmittag fraglos „ein historisches Ereignis“. Denn zu dieser Pferdepräsentation, die Familie Nagel mit Herz, Enthusiasmus und vielen helfenden Händen organisierte und bei der in jedem Detail die große Gastfreundlichkeit zu spüren war, kamen nicht nur Araberzüchter und -freunde aus Deutschland. „Dr. Nagel hatte Menschen um sich geschart, die so bestimmt nie wieder alle an einem Fleck zusammenkommen werden: Johann und Doris waren da, die sicherlich mehr über die nagelschen Pferde erzählen könnten als jeder andere, Rudi Tiemann war da, der seit Jahrzehnten dort die Fohlen einträgt, die Heroen Judi Forbis, Marion Richmond und Lisa Lacy waren da, die von dem Züchter Dr. Nagel profitiert haben und er von ihnen, einige der arabischen Männer mit ihren vermummten Frauen waren da, deren Wesen er besser versteht als mancher hochdekorierte Diplomat, Klaus Beste und all die zerstrittenen deutschen Vereinsmitglieder waren da, die sonst jeden Kontakt untereinander vermeiden“, so das Resümee des Züchters Hermann Marsians. „Insofern war es jedenfalls für mich, der die Szene seit bald 40 Jahren beobachtet, ein historisches Ereignis. Und ich bin mir sicher, dass viele bald voller Sehnsucht sich an diesen Nachmittag zurück erinnern werden. Ich jedenfalls spürte diese Wehmut schon auf dem Nachhauseweg. Es war wie das kurze Aufflackern einer untergegangenen Zeit.“
Infos zum Buch: „The Arabian Horse - Nature’s Creation and the Art of Breeding“ 528 Seiten mit 430 Illustrationen/Fotos, Hardcover. Lieferbar in Deutsch, Englisch und Italienisch. Preis: 96,00 €.