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Hund und Kind - Teil 1

1 Foto IVH - Mutter Kind und Hund

Die Grundlagen

Immer wieder kommt es zu Beißattacken. Natürlich sind solche Beißvorfälle schlimm und wenn Menschen und gerade Kinder bei diesen Attacken schwer verletzt oder sogar getötet werden, ist das besonders tragisch! Von den Medien wird aber wieder einmal das Bild des bösen, aggressiven und unberechenbaren Hundes gezeichnet und eine generelle Angst gegen des Menschen besten Freund geschürt. Im Grunde genommen gibt es aber einige Grundregeln, die man als Hundehalter beachten sollte und muss, damit es nicht zu solchen Unfällen kommt. Denn eigentlich kann das Heranwachsen eines Kindes mit einem Hund sehr erfüllend sein und kann gerade im Bereich der sozialen Kompetenz die Entwicklung des Kindes positiv beeinflussen.

Die wichtigste Regel - Kind und Hund niemals alleine lassen

Diese einfache Regel, ist leider auch die Regel, die meist nicht beachtet wird, wenn es zu den schlimmsten Attacken kommt: Säugling/Kleinkind gegen Hund! Da wird einen Moment lang nicht aufgepasst oder man geht nur kurz mal aus dem Zimmer, um etwas zu holen und schon kommt es zum Super-Gau.

Ich will hier jetzt nur kurz skizzieren, wie es hier zu den meisten Unfällen kommt, damit wir uns ein wenig sensibilisieren, um die Situation zu verstehen und in Zukunft vermeiden zu können. Das kleine Kind krabbelt auf dem Boden außerhalb des Laufstalles und gibt glucksende und quiekende Laute von sich. Je nach Bewegungsrichtung auf den Hund zu oder von ihm weg, kann hier unter Umständen das Jagdverhalten des Hundes ausgelöst werden. Da dieses Verhalten sehr stark triebgesteuert ist, braucht es meist nur einen Auslösereiz, um das Jagdprogramm zu starten. Je nach genetischer Grundlage sieht das Jagdprogramm von Hunden nicht immer gleich aus. Die meisten Hundehalter, jagdlich orientierter Hunde, werden die Situation im Wald kennen, wenn man mal nicht aufgepasst hat, das Reh aufgeschreckt flieht und der Hund hinterher jagt. Dieses Hetzen ist bei vielen Hunderassen vorhanden und wird natürlich auch durch das krabbelnde Kind ausgelöst. Nur ist das Kind nicht so schnell wie ein fliehende Reh, daher kann es passieren, dass der Hund das Kind mit seinen Zähnen packt und mit heftigen Schüttelbewegungen beginnt. Dieses Totschütteln zeigen viele Hunde, wenn sie ihr Lieblingsspielzeug oder ihren Dummy finden und den Kopf wild hin und her bewegen. Dies ist meist noch eine Handlung, die im Jagdverhalten der Hunde noch zu finden ist. Viele andere Endhandlungen im Jagdverhalten gingen während der Domestikation verloren. So zeigt sich das Fressen der Beute nur noch selten beim Hund. Ähnlich verhält es sich in Fällen, wenn die Kinder schon größer sind und wild im Garten herum toben. Auch hier kann sich durch das Weglaufen das Jagdprogramm melden und das Kind wird mit dem Zähnen gepackt. Anders ist der Fall gelagert, wenn das Kind versucht, sich dem Hund zu nähern, wenn der sich gerade auf seinem Schlafplatz befindet, seinen Futter bekommt, ein Leckerchen vertilgt oder an seinem Lieblingsspielzeug knabbert. All diese Dinge können Ressourcen sein, die der Hund unter Umständen abgrenzen wird. Hier kann er durchaus recht heftig reagieren. Normalerweise zeigt er im Vorfeld aber schon Drohverhalten, wie z. B. Knurren. Auch hier sollte das Kind auf keinen Fall mit dem Hund alleine gelassen werden.

5 Foto IVH Hund und Jungs

Ruhezonen

Im oben gezeigten Beispiel kommt auch eine andere wichtige Regel zum Tragen! Es sollten dem Hund Ruhezonen zur Verfügung gestellt werden, damit er sich zurückziehen kann, wenn er müde oder wenn es ihm zu viel mit dem Kind wird. Diese Zonen sollten tabu für das Kind sein. Es sollte sie nicht betreten dürfen, damit sich der Hund auch mal entspannen kann. Gerade wenn der Hund müde wird und zunehmend genervt auf die Spielversuche des Kindes reagiert, wird es Zeit beide zu trennen und den Hund in seine Ruhezone zu bringen, damit er schlafen kann und so auch Stress abbauen kann. Wenn man einen Hund hat, der gerne Ressourcen, wie z. B. Spielzeug oder Futter, verteidigt, sollte man die Fütterung oder bestimmte Spiele nur in diesen Tabu-Zonen ausführen, ohne dass das Kind dabei ist. Sobald ein Kind in dieser Situation als Konkurrent zum Hund auftritt, kann der Hund versuchen, seine physische Überlegenheit gegen das Kind einzusetzen.

Hundekommunikation

So früh wie möglich sollte einem Kind gezeigt werden, wie Hunde kommunizieren. Sobald sie im Kindergartenalter sind, werden sie auch immer mobiler und werden auch mal fremde Hunde treffen. Da ist es immer von Vorteil, wenn die Kinder wissen, wie man sich gegenüber Hunde verhält und wie der Hund zeigt, dass er sich in einer Situation unwohl fühlt. Aber gerade die Kommunikation des eigenen Hundes sollte für die Kids klar sein. Damit sie wissen, wann der Hund nicht mehr mit ihnen spielen will und wann es besser ist, ihn in Ruhe zu lassen.

2 Foto IVH Freundschaften die man nie vergißtFreundschaften die man nie vergißt

Hier sollte man sich durchaus an kompetente Hundetrainer wenden, die oft bestimmte Kurse anbieten, die Kindern zeigen, wie sie mit Hunden umgehen und wie sie Signale der Körpersprache der Hunde interpretieren können. Diese Trainer bieten aber auch oft spezielle Workshops für Kindergartengruppen oder Schulklassen an.

Hundeerziehung

Die Erziehung des Hundes gehört ganz klar in die Hand der Erwachsenen! Jede Familie mit Kindern sollte zudem schauen, dass ihr Hund eine gute Hundeschule besucht. Natürlich sollten auch die Kinder die Stunden in der Hundeschule besuchen, damit sie sehen und verstehen können, wie ein Hund lernt. Einfache Übungen können sie dort mit dem Hund ausführen unter den aufmerksamen Blicken des Trainers, der dort auch Hilfestellungen geben kann. Auch hier sollte man wieder ganz klar darauf achten, dass das Kind nicht alleine mit dem Hund die Erziehungsübungen ausführt. Zu leicht kann hier wieder eine Konkurrenzsituation entstehen, die das Kind nicht kontrollieren kann.

3 Foto IVHSoziale Kompetenz mit dem Hund erlebtSoziale Kompetenz mit dem Hund erleben

Gleichzeitig wird der Trainer versuchen Fehler in der Ausführung der Übungen aufzuzeigen, damit das Kind lernt, richtig mit dem Hund zu kommunizieren. Außerdem wird er auch jede Menge Spiele für Kind und Hund kennen, die beide gemeinsam spielen können.

Auswahl des Hundes

Im Grunde genommen kann man schon viele potenzielle Gefahrensituationen vermeiden, wenn man schon bei der Auswahl des Hundes berücksichtigt, dass Kinder in der Familie vorhanden sind oder in Zukunft Kinder hinzu kommen sollen. So kann man gerade darauf achten, dass die Hunde kein gesteigertes Jagdverhalten besitzen. Wie schon gesagt, gibt es dort eine genetische Komponente! Wenn schon die Elterntiere gerne jagen gehen, kann man davon ausgehen, dass der Nachwuchs auch jagdlich orientiert ist. Außerdem sollte man auch auf die Größe des Hundes achten. Extreme Größen- und Gewichtsunterschiede sollten hier vermieden werden. Was soll ein Kind im Grundschulalter mit einem Neufundländer oder Bernhardiner, die mit Sicherheit ein Gewicht von 50 bis 60 Kilogramm auf die Waage bringen.

4 Foto KS Der Hund sollte auch zum Kind passenDer Hund sollte auch zum Kind passen

Ich habe schon viele Situationen gesehen, in denen Kinder alleine mit Hunden an der Leine unterwegs waren, wo die Hunde erheblich schwerer als die Kinder waren. Hier braucht der Hund doch nur etwas interessantes, wie eine Katze, ein Kaninchen oder ein Reh zu sehen, und er will dann hinterher. Hier wird das Kind den Hund niemals halten können. Schlimmer wird es dann, wenn sich zwei Hunde begegnen und in die Haare kriegen. Hier wird das Kind den Hund erst recht nicht steuern können. Zusätzlich ist diese Situation für das Kind auch psychisch eine Belastung, die es mit Sicherheit nicht tragen kann.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Artikel wieder ein wenig Klarheit in die Beziehung von Kind und Hund bringen. Es gibt ein paar Grundregeln dabei, die Eltern nicht vergessen dürfen, da es immer mal zu Situationen kommen kann, in denen der Hund dem Kind überlegen ist.

Zusätzlich sollte man sich aber auch nicht von den Horrornachrichten der Presse aus der Ruhe bringen lassen. Ich finde es wichtig, dass Kinder mit Hunden aufwachsen! Sie lernen nicht nur die Kommunikation der Hunde, sie müssen Verantwortung für ihren vierbeinigen Freund übernehmen und das ist wichtig, um später soziale Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln.

Text: Tierverhaltensberater Björn Eickhoff

Björn Eickhoff
Über den Autoren Björn Eickhoff
Im Jahr 2005 beendete Björn Eickhoff seine Ausbildung zum Tierpsychologe (ATN) für Hund und Katze und eröffnete seine eigene Praxis als Tierverhaltensberater in Wuppertal. Dort spezialisierte er sich komplett auf die Lösung von Verhaltensprobleme ...
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