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Mein Pferd hat „Hufrolle“

1 Hufrolle schematischHufrolle schematisch

Podotrochlose (Hufrollennekrose oder Hufrollenentzündung) und ähnliche Probleme

„Hufrolle“ gilt bei vielen Pferdebesitzern als Hiobsbotschaft. Bei genauerem Nachfragen weiß jedoch oft kaum jemand was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Dementsprechend groß ist auch die Verunsicherung wenn es darum geht welcher der vielfältigen guten Ratschläge beachtet werden soll.

Anatomie

„Hufrolle“ ist zunächst einmal der landläufige Begriff für einen Bereich , der aus mehreren „Einzelteilen“ besteht. Hierzu zählen das Strahlbein, der Bereich der tiefen Beugesehne der mit dem Strahlbein Kontakt hat und der dazwischen liegende Schleimbeutel. Jedes gesunde Pferd besitzt also vier „Hufrollen“.

Erkrankung

„Hufrollenerkrankung“ ist eine wenig präzise Beschreibung für eine Erkrankung dieses Bereiches. Um korrekt therapieren zu können ist es nötig genauer zu werden. *HERTSCH et al. (1982) unterscheiden die Strahlbeinlahmheit daher entsprechend ihrer verschiedenen Formen.

  1. Die Erkrankung der eigentlichen Hufrolle - Podotrochlose: Hier sind die oben beschriebenen Strukturen betroffen–Strahlbein, Bereich der tiefen Beugesehne mit Strahlbeinkontakt, dazugehöriger Schleimbeutel.
  2. Erkrankung der Strahlbeinbänder: Hier ist eines oder mehrere der drei Haltebänder des Strahlbeins betroffen.
  3. Erkrankung des Hufgelenks unter Beteiligung des Strahlbeins: Gekennzeichnet durch Entzündungszustände des Hufgelenks.

Die Symptome dieser Probleme sind sehr einheitlich. Die Lahmheit ist oftmals nicht konstant - also mal stärker mal schwächer ausgeprägt. Das Pferd lahmt auf den Vorderbeinen oft wechselseitig oder konstant mit einem Bein mehr als dem anderen. Die Pferde neigen vermehrt zum „Schlurfen“ und Stolpern. Einige Patienten sind vor allem in Wendungen empfindlich. Häufig ist auch eine Verschlimmerung durch Belastung zu beobachten. Um das ganze diagnostisch noch komplizierter zu machen, gibt es eine Reihe von weiteren Erkrankungen, die von ähnlichen Symptomen begleitet werden. Hierzu gehören zum Beispiel Steingallen, Tiefe Schale, Arthritis der Zehengelenke, überlastete Trachtenwände, Fesselgelenksarthrosen und weitere.

Die erste Aufgabe besteht also in einer genauen Diagnose-Aufgrund der verschiedenen Erkrankungen die zu den beschriebenen Symptomen führen können oft keine leichte Aufgabe für den Tierarzt - vor allem da sich nur manche der Probleme auf Röntgenbildern deutlich darstellen.

1 Foto Florian HäfnerFoto Florian Häfner

Bei der eigentlichen Podotrochlose ist es wichtig den Zug der tiefen Beugesehne zu reduzieren um den schmerzhaften Bereich zu entlasten. Hierzu wird am Beschlag eine starke Zehenrichtung angebracht. Eine Unterstützung in Form eines Steges verhindert das Einsinken des Hufes im hinteren Bereich, auf weichem Boden-evtl. bringt eine Erhöhung der Trachten einen noch größeren Effekt. Hier wird jedoch oft ein großer Fehler begangen. Sollte ein Pferd mit Hufrollenentzündung schlechte, eingerollte Trachten besitzen (dies ist nicht immer so), entsteht durch ein reines Stegeisen/Keile ein Problem: Die Entlastung der tiefen Beugesehne in tiefem Boden ist zwar gegeben, der verlängerte Hebelarm, der durch das Stegeisen entsteht, bringt aber mehr Druck auf die Trachten und verschlimmert oft deren Zustand, bzw. verhindert zumindest deren Verbesserung.

Das Gleiche gilt für am Hufeisenschenkel angebrachte Schweisskeile. Diese haben dazu noch den Nachteil, dass sie in tiefem Boden genauso leicht Einsinken wie normale Eisenschenkel, also hier keinen Effekt haben. Um diese Nacheile zu vermeiden ist es nötig, zum einen bei der Hufzubereitung das schlechte Trachtenmaterialwegzuschneiden bis die nach vorne verbogenen Hornröhrchen wieder einen gestreckten Verlauf haben. Falls nötig muss der Höhenverlust über den Beschlag ausgeglichen werden. Des Weiteren sollte der hintere Hufbereich zusätzlich mit einem Polster flächig ausgefüllt werden, hierdurch wird die Mehrbelastung, die durch Steg und Keile entsteht, flächig verteilt. Da der erkrankte Bereich sozusagen über dem Strahl liegt, sind manche Pferde empfindlich wenn Druck auf den Strahl ausgeübt wird. Dies lässt sich durch Abdrücken des Strahls mittels einer Abdrückzange feststellen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Pferd im Bereich des Strahls auf einen kleinen Holzkeil zu stellen und dann das gegenüberliegende Bein aufzuhalten - oft zeigt die Reaktion des Pferdes ob es den Strahldruck angenehm oder unangenehm empfindet. Sollte das Pferd empfindlich sein, dürfen Steg und Polster nicht direkt auf dem Strahl aufliegen.

DSCF2336- Foto Florian HäfnerFoto Florian Häfner

Die tiefe Beugesehne wird im unteren Bereich breiter - somit kann die Sehne seitlich unterschiedlich stark geschädigt sein. Ist dies der Fall oder sind die Strahlbeinbänder oder das Hufgelenk mitbetroffen, ist abgesehen von oben beschriebenen Maßnahmen, vor allem auch das Erleichtern des Abrollens zu den Seiten (medio-lateral) wichtig. Dies kann mit einem Casteljins Extension Device (modifizierte Brettprobe ) gut überprüft werden. Hierzu wird das Pferdebein auf einen Aluminiumteller gestellt, an dem ein Hebelarm befestigt ist. Das andere Bein wird aufgehalten. Nun wird das Bein durch hochziehen des Hebelarms nach vorne (dorsal), seitlich (medial und lateral) und evtl. nach hinten (palmar) überstreckt/überbeugt. Sobald das für das Pferd unangenehm wird, wird der erreichte Winkel von der Skalierung des Gerätes abgelesen. Man vergleicht nun die Gradzahlen miteinander und mit vorgegebenen Toleranzen gesunder Pferde und kann so feststellen ob das Pferd ein erleichtertes Abrollen als schmerzlindernd empfindet.

Dieses seitliche Abrollen kann durch eine französische Zehenrichtung, bei der das Eisen nicht nur vorne, sondern auch an den Seiten hochgebogen wird, erleichtert werden. Benötigt man einen stärkeren Effekt, wird ein Full Roller Motion Shoe oder einen Rock`n Roll Beschlag aus Aluminium verwendet. Diese Beschläge sind vorne und an den Seiten stark abgerundet. Wichtig ist also vor allem eine präzise Diagnose um korrekt beschlagen zu können.

Text und Fotos:

Florian Häfner - Staatl. geprüfter Hufbeschlagschmied/Huftechniker GdHk
74189 Weinsberg, Mobil: 0171-4726583

www.fh-hufbeschlag.de

* Dallmer - Der Huf und sein nagelloser Hufschutz